< ZURÜCK ZUR ÜBERSICHT

Wo es bei der Taxonomie noch hakt

Das Icon für einen IntReal Gastbeitrag

21. Jan 2021

Das zentrale Dokument der ESG-Regulierung

Mit der Taxonomie soll die Nachhaltigkeit von Immobilien-Investitionen messbar gemacht werden. Die so genannte Technical Expert Group hat ein 600 Seiten starkes Dokument mit technischen Umsetzungsvorschlägen zur Taxonomie vorgelegt. Diese werden jetzt von der EU-Kommission in Gesetzestexte gegossen. Auch wenn noch viele Detailinformationen fehlen, zeigen sich erste Herausforderungen bereits jetzt. Die Regeln sind streng und es fehlt an zugänglichen und vergleichbaren Daten über den Energieverbrauch von Immobilien in Europa. The Property Post sprach dazu mit Dr. Magdalena Kuper, Direktorin der Abteilung Recht beim Fondsverband BVI, und Michael Schneider, Geschäftsführer der INTREAL.

Frau Dr. Kuper. Ihr Kollege Herr Mecklenburg hat die Taxonomie einmal als „Maschinenraum der Nachhaltigkeit“ bezeichnet. Wie ist der Stand bei diesem Kerndokument der ESG-Regulierung?

Dr. Kuper: Ich muss meinem Kollegen beipflichten. Die Taxonomie-Verordnung ist das zentrale Dokument der gesamten ESG-Regulierung. Damit will der Regulator ein Instrument liefern, mit dem Nachhaltigkeit messbar gemacht werden kann. Die Verordnung wurde bereits im Sommer 2020 verabschiedet. Was allerdings noch fehlt sind die Level-II-Verordnungen, die die Vorgaben konkretisieren. Wir rechnen im Januar 2021 mit ersten Gesetzestexten. Alles, was wir bislang sagen können, basiert auf dem rund 600 Seiten starken Bericht der Technical Expert Group.

Herr Schneider, müssen auch Fonds, die gar nicht als ESG-konform vertrieben werden, die Taxonomie anwenden?

Herr Schneider: Ja, die Taxonomie ist eine Verordnung und sie muss künftig von der KVG für alle verwalteten Fonds angewendet werden. Das heißt aber nicht, dass nicht-nachhaltige Fonds verpflichtet sind, nach den Kriterien der Taxonomie zu investieren. Das Instrument verpflichtet nur zur Veröffentlichung. Nicht-nachhaltige Fonds müssen künftig offenlegen, dass die Kriterien der Taxonomie keine Berücksichtigung finden. Sobald eine KVG jedoch einen Fonds als EGS-Fonds vermarktet, muss transparent gemacht werden, u.a. inwieweit nach den Kriterien der Taxonomie investiert wird und welchen Anteil des Portfolios dies ausmacht.

Frau Dr. Kuper, wie schätzen Sie die Taxonomie ein?

Dr. Kuper: Wir haben uns intensiv mit den Vorschlägen der Technischen Expertengruppe befasst und haben eine Reihe von Herausforderungen identifiziert. Wenn man die Taxonomie als Grundlage nimmt, um nachhaltige Fonds aufzulegen, dann gestaltet sich die Umsetzung im Immobilienbereich teils sehr schwierig.

Könnten Sie das ausführen?

Dr. Kuper: Wenn eine KVG einen Immobilienfonds als nachhaltig anbieten möchte, muss sie gemäß Taxonomie überprüfen, welche der Immobilien die künftigen Kriterien für ökologisch nachhaltige Investitionen erfüllen. Im Bereich der älteren Bestandsimmobilien werden es erstmal sicherlich nur wenige sein. Dies muss dann offengelegt werden. Es kann dann durchaus vorkommen, dass bei Fonds, die als nachhaltig beworben werden, der Anteil an ökologisch nachhaltigen Investitionen erst einmal null Prozent beträgt, aber die Strategie vorsieht, durch entsprechende Bewirtschaftungsmaßnahmen bestimmte ESG-Ziele zu erreichen. Anders ausgedrückt: Die gesetzten Kriterien sind derzeit in der Praxis wohl schwer zu erfüllen und eine Vielzahl von als ESG-konform beworbenen Fonds wird zunächst mit Zielvorgaben arbeiten. Diese müssen aber konkret formuliert und überprüfbar sein. Die Fonds werden in den Jahresberichten über die Erreichung der selbst gesetzten Ziele berichten müssen.

Herr Schneider, wo sehen Sie Herausforderungen?

Herr Schneider: Eine große Herausforderung besteht in der Verfügbarkeit von relevanten Daten, um das gesamte Portfolio nach Taxonomie-Kriterien zu bewerten. Beispielsweise muss nach dem Vorschlag der technischen Expertengruppe bis 2025 die ökologische Nachhaltigkeit anhand eines Vergleichs des Primärenergiebedarfs einer Immobilie innerhalb der relevanten Peer-Group gemessen werden. Das heißt, eine Immobilie in Finnland darf nur mit einer anderen finnischen Immobilie verglichen werden, da ein Vergleich mit einem Objekt auf Sizilien aufgrund der anderen klimatischen Anforderungen nicht sinnvoll ist. Das Problem dabei: Die Daten, um diesen Vergleich vorzunehmen, liegen oft gar nicht vor. Wenn es keine Daten gibt, um hier eine Aussage zu treffen, muss die KVG im Zweifel annehmen, dass das Investment nicht Taxonomie-konform ist. Dies bis 2025 zu ändern, ist eine große Herausforderung.

Dr. Kuper: Ich würde gerne ergänzen, dass der BVI ausdrücklich die Einrichtung einer europäischen Datenbank u. a. für Verbrauchsdaten von Immobilien fordert. Eine solche öffentlich zugängliche Datenbank würde den Vergleich von Immobilien untereinander erlauben. Allerdings dürfte der Aufbau einer solchen Datenbank Jahre dauern. Deshalb kann es sein, dass die EU-Kommission den Ansatz zur Bewertung der Nachhaltigkeit bei Immobilien noch einmal anpassen wird.

Neben der Datenverfügbarkeit hat der BVI auch die Strenge der Kriterien bei Immobilien kritisiert. Könnten Sie das ausführen?

Dr. Kuper: Die Taxonomie teilt die Immobilien in zwei Gruppen ein: Immobilien, die bis Ende 2021 errichtet werden, müssen über einen Energieausweis der Effizienzklasse A verfügen oder nach einen Peer-Group-Vergleich bewertet werden. Nur die Objekte, die zu den besten 15 Prozent des lokalen Marktes gehören, gelten als nachhaltig. Hier wären wir wieder bei der bereits angesprochenen Problematik der mangelnden Verfügbarkeit von Daten.

Für Immobilien, die nach Ende 2021 errichtet werden, gelten andere, strengere Kriterien. Hier muss der Primärenergieverbrauch 20 Prozent unterhalb der EU-Schwellenwerte für ein Niedrigstenergiegebäude (Nearly Zero Energy Building) liegen. Anders ausgedrückt: Der Primärenergiebedarf bei ESG-konformen Immobilien muss Werte eines Niedrigstenergiegebäudes noch einmal um 20 Prozent unterschreiten. Hier sagen uns alle Experten, dass solche Immobilienprojekte im Bereich der Gewerbeimmobilien bisher gar nicht existieren und dass es auch kaum rentabel wäre, solche Immobilien zu errichten.

Herr Schneider, rechnen Sie hier noch mit Anpassungen?

Herr Schneider: Ohne die Level-II-Verordnungen, die aktuell noch nicht vorliegen, ist es schwierig, hier eine Aussage zu machen. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Vorgaben im Prozess der Umsetzung noch entschärft bzw. praktikabel gemacht werden. Immobilien sind – im Vergleich zu Wertpapieren – anders und jede allgemeine Regulierung der Fondsbranche muss für Immobilienfonds speziell angepasst werden. Das ist nicht trivial und braucht Zeit – mehr Zeit als die ambitionierten aktuellen Zeitpläne vorsehen.

Gastbeitrag zum Download: hier

Disclaimer

Dieser Beitrag dient Werbezwecken. Er enthält keine Handlungsempfehlung und stellt kein Vertragsangebot dar.

Alle in dieser Unterlage enthaltenen Aussagen, Meinungen und Beurteilungen entsprechen aktuellen, z.T. subjektiven Einschätzungen und Bewertungen und sind nicht als eine konstante, unveränderliche oder absolute Aussage zu betrachten. Die (aufsichts)rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen sowie die Verwaltungspraxis der BaFin können sich ändern. Die INTREAL bzw. deren Gesellschaften sowie deren Organe, Vorstände, Mitarbeiter oder andere im Namen der INTREAL handelnde Parteien übernehmen daher keinerlei Haftung für die in diesem getätigten Aussagen, deren Vollständigkeit, Richtigkeit oder Verwertbarkeit für Zwecke des Lesers.

Stand: 21.01.2021