Gut ELTIF will Weile haben
05. Aug 2024
Beitrag des Immobilienmangers von Christian Hunziker.
Seit Anfang dieses Jahres gelten neue Regeln für den European Long Term Investment Fund (ELTIF). Marktbeobachter erwarten, dass die bisher überschaubare Anzahl an ELTIFs dadurch deutlich zunehmen wird. Doch Immobilien werden im ELTIF-Universum bis auf weiteres eine untergeordnete Rolle spielen.
Als 2015 der European Long Term Investment Fund (ELTIF) eingeführt wurde, waren die Erwartungen groß. Das neue Fondsvehikel sollte Anlageklassen wie Private Equity, Private Debt und Infrastruktur, die traditionell in erster Linie institutionellen Investoren und sehr vermögenden Privatpersonen offenstehen, für alle Privatanleger zugänglich machen. Doch das Ergebnis ist ernüchternd: Bis Ende 2023 wurden europaweit gerade einmal 95 ELTIFs mit einem Gesamtvolumen von 13,6 Milliarden Euro aufgelegt. Doch jetzt könnte sich der ELTIF-Markt spürbar beleben. Das erwartet jedenfalls Sonja Knorr, Analystin bei Scope, die zusammen mit ihrer Kollegin Hosna Houbani diesen Markt unter die Lupe genommen hat. Die Expertinnen rechnen damit, dass das europäische ELTIF-Volumen bis Ende 2026 auf 30 bis 35 Milliarden Euro steigen könnte. Bis Mai 2025 dürften demnach mindestens zwanzig neue ELTIFs aufgelegt werden.
Grund für diese zu erwartende Belebung ist eine neue Verordnung (ELTIF 2.0), die am 10. Januar dieses Jahres in Kraft trat. Sie erlaubt den ELTIFs deutlich mehr Flexibilität, da sie das Spektrum der zulässigen Vermögenswerte erheblich erweitert, Dachfonds-Strategien zulässt und auch eine Master-Feeder-Struktur erlaubt (also eine Fondsstruktur, bei der eine oder mehrere Kapitalsammelstellen ihr Vermögen in einen Master-Fonds investieren). Für den Vertrieb wichtig ist zudem, dass die Anlagehürden deutlich gesenkt wurden: Eine Mindestzeichnungssumme gibt es nicht mehr; vor der Reform hatte ein Anleger mindestens 10.000 Euro in einen ELTIF stecken müssen. Gleichzeitig durften Anleger mit einem liquiden Vermögen von weniger als 500.000 Euro höchstens zehn Prozent ihres Vermögens in ELTIFs investieren – auch dieses Hindernis ist jetzt abgeräumt.
Branchenvertreter sehen die Neuerungen positiv. Der ELTIF in seiner ersten Fassung sei „etwas theoretisch“ ausgestaltet gewesen, sagt Rudolf Kömen, Geschäftsführer der Service-KVG INTREAL Luxemburg. „Den ELTIF 2.0 kann man deutlich besser einsetzen“, erklärt er. „Ich bin überzeugt, dass er ein Erfolgsmodell wird.“ Kömen zufolge sind allein in Luxemburg derzeit etwa 30 bis 40 ELTIFs in Vorbereitung.
Allerdings spielt die Anlageklasse Immobilien bei den bisherigen und geplanten ELTIFs eine untergeordnete Rolle. Laut der Analyse von Scope haben die ELTIFs bisher in erster Linie in Private Equity und Infrastruktur (jeweils 31 Prozent) sowie Private Debt (30 Prozent) investiert. Immobilien machen somit nur einen verschwindend geringen Anteil aus. Für 2024 ist laut Scope überhaupt kein Immobilien-ELTIF zu erwarten; 2025 könnten dann immerhin drei ELTIFs auf den Markt kommen, die in Real Estate investieren. Unterstrichen wird diese Schwerpunktsetzung dadurch, dass der in Deutschland bekannteste ELTIF, nämlich der bereits 2020 von Commerz Real aufgelegte Klimavest, nicht etwa in Immobilien, sondern in Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien sowie in nachhaltige Infrastruktur, Mobilität und Forstwirtschaft investiert.
Auf Infrastruktur setzen auch zwei seit der Reform aufgelegte ELTIFs, nämlich der Uni Privatmarkt Infrastruktur von Union Investment und der Privado Infrastructure von Swiss Life Asset Managers. Unter Infrastruktur verstehen die Fondsmanager beider Gesellschaften Projekte aus dem Energiesektor sowie aus dem Transport-, Versorgungs- und Kommunikationsbereich, also etwa Wind- und Solarparks, Fernwärmenetze, Recyclinganlagen und Datencenter.
„Der Privado-ELTIF ist ein Infrastrukturfonds, kein Immobilienfonds“, betont denn auch Christoph Gisler, Head Infrastructure Equity bei Swiss Life Asset Managers. Ziel sei es, die Anlageklasse Infrastruktur für Privatanleger zugänglich zu machen. Die Mindestanlagesumme beträgt 1.000 Euro. Angesprochen fühlen sollen sich jedoch in erster Linie Anleger mit einem Vermögen zwischen 100.000 und 250.000 Euro sowie kleinere institutionelle Investoren, wie Dagmar Maroni sagt, Head Product & Lifecycle Management bei Swiss Life Asset Managers.
Ebenfalls den Infrastrukturbereich im Blick hat Patrizia. „Wir planen, in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 mit einem Infrastruktur-ELTIF in den Vertrieb zu gehen“, kündigt Klaus Weber an, Geschäftsführer von Patrizia Grundinvest. Der ELTIF soll demnach in Luxemburg zugelassen werden und von der neuen regulatorischen Freiheit Gebrauch machen, indem er schwerpunktmäßig in bestehende institutionelle Patrizia-Vehikel investiert.
Warum aber machen die Fondsgesellschaften mit ihren ELTIFs einen großen Bogen um Immobilien? „Grundsätzlich hat der ELTIF für Immobilien die gleichen Vorteile wie für das Infrastruktursegment“, antwortet Weber. „Dass wir im ersten Schritt keinen Immobilien-ELTIF auflegen, hat mit der aktuellen Marktsituation zu tun.“ Außerdem existiere mit dem Offenen Immobilienfonds in Deutschland bereits ein etabliertes Vehikel. Der Patrizia-Manager schließt aber nicht aus, „dass wir in Zukunft, wenn die Nachfrage nach Immobilien wieder gestiegen ist, auch Immobilien-ELTIFs auflegen werden.“ Ganz ähnlich klingt es bei Swiss Life Asset Managers. „Wir schließen nicht aus, in Zukunft auch einen ELTIF aufzulegen, der in Immobilien investiert“, sagt Dagmar Maroni. „Zunächst wollen wir aber beobachten, wie sich der Privado entwickelt.“
Dann könnte der ELTIF seine Vorteile auch in Bezug auf Immobilien ausspielen. Und Vorteile hat er viele, findet Rudolf Kömen von INTREAL – nicht nur für Privatanleger, die damit Zugang zu neuen Anlageklassen bekommen, sondern auch für Fondsgesellschaften. Aus ihrer Sicht hat der ELTIF laut Kömen den Vorzug, „dass er gewissermaßen einen EU-Pass hat und damit in der ganzen EU zugelassen ist. Er ist ein reguliertes europäisches Produkt, das international die Bedürfnisse von Investoren abdeckt.“ Ob der ELTIF aber wirklich das passende Produkt ist, hängt nach Ansicht des INTREAL-Experten davon ab, welche Investorengruppen angesprochen werden. „Für einen Fonds, der sich ausschließlich an deutsche Sparkassen richtet, braucht es den ELTIF nicht“, hält Kömen fest. „Dafür ist der deutsche Spezialfonds das etablierte Vehikel.“
Bis Redaktionsschluss waren allerdings noch nicht alle technischen Details des ELTIFs 2.0 geklärt. Zwar hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) auf ihrer Webseite einen umfangreichen FAQ-Katalog veröffentlicht. Noch nicht beschlossen sind aber die sogenannten Regulatory Technical Standards (RTS). Noch seien sich die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und die EU-Kommission nicht in allen Punkten einig, erläutert Rudolf Kömen.
„Im Markt ist ein sehr großes Interesse für den ELTIF spürbar“, bilanziert Christoph Gisler von Swiss Life Asset Managers und warnt gleichzeitig vor übertriebenen Erwartungen: „Wir sollten dem Markt Zeit geben, sich mit diesem neuen Vehikel vertraut zu machen. Sowohl die Kunden als auch die Vertriebspartner müssen das Produkt erst einmal kennenlernen.“