< ZURÜCK ZUR ÜBERSICHT

Ab 2022: Anwendung der Taxonomie – Das hat sich zum Jahreswechsel geändert

Das Icon für einen IntReal Gastbeitrag

13. Jan 2022

Die Taxonomie ist das Herzstück der europäischen ESG-Regulierung. Es handelt sich dabei um ein sehr umfassendes Regelwerk. Zum 1. Januar 2022 trat ein weiterer Teil des Regelwerks in Kraft. Trotz aller Ausführlichkeit gibt es noch zahlreiche offene Fragen und eine entsprechend große Unsicherheit am Markt.

von Hannah Dellemann, ESG-Beauftragte der INTREAL

Zum 1. Januar 2022 trat die nächste Etappe der europäischen Taxonomieverordnung in Kraft. Es sind dies die Anforderungen an die ersten zwei Umweltziele der Verordnung – Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Damit hat der europäische Gesetzgeber ein Instrument geschaffen, dass Nachhaltigkeit messbar machen soll. Das Regelwerk hat erhebliche Auswirkungen auf alle Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs) von Immobilienfonds. Die wichtigsten Änderungen: Bei allen Fonds, die Nachhaltigkeitsmerkmale fördern (Artikel-8-Fonds) oder die sich aktiv für mehr Nachhaltigkeit einsetzen (Artikel-9-Fonds bzw. Impact-Fonds), muss der Anteil der taxonomiekonformen Immobilien bereits in den vorvertraglichen Informationen angegeben werden. Später muss in den Jahresberichten veröffentlicht werden, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden. Bei Fonds, die keine Nachhaltigkeitsziele verfolgen – auch Artikel-6-Fonds genannt –, muss dem Anleger transparent gemacht werden, dass der Fonds nicht in taxonomiekonforme Immobilien investiert. Das Ziel des europäischen Gesetzgebers: Es soll mehr privates Kapital in nachhaltige Anlagen fließen.

Taxonomie macht bei Immobilien Vorgaben für vier Bereiche

Welche Inhalte hat die Taxonomie in Bezug auf Immobilien? Eine technische Expertengruppe hat Vorgaben für vier Bereiche erarbeitet: Neubau, Ankauf, Sanierung sowie weitere Dienstleistungen. Für alle Bereiche wurden jeweils Nachhaltigkeitskriterien festgelegt.  Ein Beispiel aus dem Bereich Neubau sind die Vorgaben für den Primärenergiebedarf. Dieser soll um zehn Prozent unter den Schwellenwerten liegen, die im jeweiligen Land für ein Niedrigstenergiegebäude gelten. Hier zeigen sich auch schon exemplarisch die Probleme der Taxonomie. Diese Werte sind auf nationaler Ebene nicht einheitlich geregelt. Hinzu kommen erhebliche Unterschiede je nach Nutzungsart der Immobilie.

Ein anderes Beispiel sind die Vorgaben zum Thema Ankauf. Als taxonomiekonform gilt ein Gebäude, das vor dem 1. Januar 2021 erbaut wurde, wenn es entweder einen Energieausweis hat, der der Klasse A entspricht, oder in Bezug auf den Primärenergiebedarf zu den besten 15 Prozent seiner Klasse im nationalen oder regionalen Vergleich gehören. Auch hier zeigen sich die Probleme, die in der Praxis auftauchen. Wie werden die besten 15 Prozent definiert? Wer entscheidet, was in diesem Zusammenhang regional heißt?

Wichtig zu wissen

Die Taxonomie ist bei der Auflage von ESG-Fonds kein Muss, sondern eine Kann-Vorgabe. Eine KVG kann auch einen Artikel-8- oder Artikel-9-Fonds auflegen, ohne auf der Taxonomie aufzusetzen. Es ist für Fondsanbieter zulässig, eigene Kriterien zu entwickeln. Diese müssen überzeugend und konsistent dargelegt werden. Sie werden vor dem Vertriebsbeginn von der BaFin natürlich gründlich geprüft. Der Markt bietet hierzu aktuell ein gespaltenes Bild. Wir beobachten einen Teil der Anbieter, der die Taxonomie anwendet, und einen Teil, der eigene Kriterien definiert. Je nach Assetklasse bietet sich nur letzteres an: das Angebot an Immobilien, welche die strengen Kriterien der Taxonomie erfüllen, ist noch sehr gering.

Es handelt sich bei dem seit Jahresbeginn geltenden Regelwerk nur um den ersten Teil der Taxonomie, das sich auf zwei von insgesamt sechs Nachhaltigkeitszielen bezieht. Diese Ziele sind Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Für vier weitere Nachhaltigkeitsziele befinden sich derzeit die weiteren technischen Kriterien zur Taxonomie in Vorbereitung. Diese sollen am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Die vier Ziele sind Schutz von Wasser und Meeren (1), Übergang zur Kreislaufwirtschaft (2), Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung (3) sowie den Schutz der Ökosysteme (4).