Omnibus-Verordnung sollte nicht als ESG-Kehrtwende missverstanden werden
06. Juni 2025
Nach der Veröffentlichung der Omnibus-Verordnung der Europäischen Kommission Ende Februar 2025 fragen sich zahlreiche Institutionelle Investoren, Initiatoren von Immobilien-AIF und für Immobilienfonds tätige Asset-Manager, wie die Branche auf diese Initiative reagieren sollte. Im Vordergrund steht dabei vor allem die Frage, inwieweit bereits eingeleitete Maßnahmen zur Vorbereitung auf ursprünglich zu erwartende Berichtspflichten weiter umgesetzt, pausiert oder gar rückgängig gemacht werden sollten. Hannah Dellemann, Head of Sustainability bei der IntReal International Real Estate Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH (INTREAL) in Hamburg, warnt in diesem Zusammenhang vor einer Fehlinterpretation der OmnibusVerordnung: „Die Omnibus-Verordnung stellt keine ESG-Kehrtwende auf EU-Ebene dar. Sie verfolgt in erster Linie das Ziel, bürokratischen Aufwand zu reduzieren und miteinander in Zusammenhang stehende Regelungen besser aufeinander abzustimmen, zu vereinfachen und an verschiedenen Stellen pragmatischer zu gestalten.“ Keinesfalls sei damit ein ,Zurückdrehen‘ der ESG-Regulierung beabsichtigt. Dieser gelegentlich geäußerte Eindruck sei möglicherweise aufgrund einer gewissen zeitlichen Nähe zur Entscheidung mehrerer großer Banken und Asset Manager in den USA zum Rückzug aus dem Klimabündnis der Finanzbranche „Net Zero Asset Managers Initiative“ (NZAMI) begünstigt worden, treffe aber faktisch nicht zu.
Klimawandel und Notwendigkeit zu sparsamer Ressourcennutzung bleiben aktuelle Probleme
„Zum einen bleiben Probleme wie der Klimawandel und die Notwendigkeit eines sparsamen Umgangs mit natürlichen Ressourcen unvermindert aktuell, und zum anderen gewinnen ESG-Aspekte für eine wachsende Zahl von Investoren auch jenseits regulatorischer Vorschriften immer stärker an Bedeutung“, erläutert Dellemann. „Das Thema ESG in den Unternehmen jetzt wieder ad acta zu legen, wäre der falsche Weg und zudem auch mit wirtschaftlichen Risiken verbunden. Wo sich der Handlungsdruck seitens der Regulierung angesichts der zeitlichen Streckung von Berichtspflichten vermindert, sollte dies als Chance für eine höhere Qualität der dafür notwendigen Prozesse und Informationen genutzt werden.“
Vereinfachungen bei CSRD, Taxonomie und CSDDD im Fokus
Das sogenannte Omnibus-Paket sieht weitgehende Anpassungen bei den regulatorischen Anforderungen vor, die sich insbesondere aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der EU-Taxonomie sowie aus der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ergeben. Im Fokus stehen vor allem die Einschränkung des Anwendungsbereichs der CSRD, die zeitliche Streckung bei den Verpflichtungen zur erstmaligen Berichterstattung, die Verkleinerung des Anwenderkreises der EU-Taxonomieverordnung sowie Vereinfachungen bei den Standards für die Berichterstattung und bei der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten.
Berichtspflicht gemäß CSRD soll für zahlreiche Unternehmen entfallen
So sollen beispielsweise die Berichtspflichten gemäß der CSRD nur noch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten sowie einem jährlichen Umsatz von 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von mindestens 25 Millionen Euro gelten, womit eine Annäherung des Anwenderkreises der CSRD an jenen der CSDDD angestrebt wird. Für Unternehmen, welche die genannten Schwellenwerte nicht erreichen, soll die Verpflichtung zur Erstellung von CSRD-konformen Nachhaltigkeitsberichten wegfallen. Die EU-Kommission geht davon aus, dass dies für etwa vier Fünftel der Unternehmen gilt, die ursprünglich von der Berichtspflicht betroffen gewesen wären. Für Unternehmen, die für das Geschäftsjahr 2025 erstmals einen Bericht hätten vorlegen müssen, wird der Beginn der Berichtspflicht zudem um zwei Jahre verschoben, sodass im Jahr 2028 der erste entsprechende Bericht für das Geschäftsjahr 2027 zu veröffentlichen ist.
Bereits erzielte Projektfortschritte nicht wieder aufgeben
„Angesichts des zuvor deutlich größeren Anwenderkreises und der früheren Termine für den Beginn der Berichtspflichten haben viele Unternehmen bereits beträchtliche personelle und materielle Ressourcen mobilisiert, um die ursprünglich erwarteten Verpflichtungen erfüllen zu können. Dabei hat sich in vielen Fällen gezeigt, dass die für die nicht-finanzielle Berichterstattung erhobenen Daten und Informationen oftmals durchaus auch wirtschaftliche Relevanz haben. Beispiele dafür sind detailliertere Aufschlüsselungen von Verbrauchsdaten oder eine umfassendere Analyse bestimmter Risiken. Diese Informationen erweisen sich auch dann als wertvoll für die Unternehmenssteuerung und gegebenenfalls auch für die Differenzierung von Wettbewerbern, wenn sie künftig aufgrund vereinfachter regulatorischer Vorschriften nicht mehr verpflichtend offenzulegen sind“, erläutert Dellemann. „Das in diesem Zusammenhang oft gehörte ,Stop the clock‘ trifft zwar für die Verpflichtungen zu, die sich aus der Regulatorik ergeben, sollte aber nicht für die Beschäftigung mit dieser Materie generell gelten.“
Wegfall von Zeitdruck für Erhöhung der Daten- und Prozessqualität nutzen
Vielmehr gelte es, die sich daraus ergebenden Chancen zu nutzen. Dass die Regulierung jetzt noch einmal mit den Betroffenen über Details und pragmatische Lösungen ins Gespräch kommen möchte, sei sinnvoll und positiv zu bewerten. Das betreffe insbesondere Deutschland, wo die Umsetzung der CSRD in nationales Recht ohnehin noch aussteht, was für potenziell berichtspflichtige Unternehmen erhebliche Unsicherheiten mit sich brachte. „Für die INTREAL hat das Thema ESG trotzdem weiterhin hohen Stellenwert, und wir raten auch unseren Fondspartnern, hier weiterhin aktiv zu bleiben. Wer jetzt bereits erzielte Projektfortschritte wieder aufgibt, weil die Berichtspflicht möglicherweise doch nicht greifen wird, verzichtet damit schließlich auch auf Daten und Informationsquellen, die keineswegs nur für den Nachhaltigkeitsbericht aussagekräftig sind. Wichtig ist in der aktuellen Situation vor allem, so flexibel zu bleiben, dass künftige regulatorische Anforderungen erfüllt und zugleich die mit der umfassenderen Datenerfassung und -aufbereitung verbundenen wirtschaftlichen Potenziale optimal genutzt werden können. Der durch das Omnibus-Verfahren verringerte Zeitdruck bietet die Chance, statt auf Schnelligkeit mehr auf Daten- und Prozessqualität zu achten“, so Dellemann. Ergänzend weist die Expertin darauf hin, dass die Fähigkeit, ESG-relevante Daten und Informationen in hoher Qualität liefern zu können, auch unabhängig von eigenen Berichtspflichten an Bedeutung gewinnt, weil Geschäftspartner aufgrund eigener Berichtsverpflichtungen oder infolge einer Entscheidung zur freiwilligen Berichterstattung danach fragen.
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